Wie Man Fromme Ehrerbietung Im Gebet Erreicht
Der Meister Hâtim al-Asam empfiehlt, die folgenden Dinge zu beachten, um den Anforderungen des Gebetes wahrhaft gerecht zu werden:
„Bereite dich für das Gebet in bester Weise vor. Dann stelle die Ka´ba vor deine Augen und die Brücke (Sirât), die ins Paradies führt, unter deine Füße, das Paradies zu deiner Rechten und die Hölle zu deiner Linken! Tritt ein in die Gegenwart Allahs voller Furcht und Hoffnung, mit dem Todesengel Azra’îl hinter dir, der darauf wartet, dein Leben zu nehmen, in dem Bewußtsein, daß dies dein letztes Gebet in dieser Welt ist! Beginne dein Gebet, indem du bewußt ‚Allahu akbar!’ sagst! Beginne mit der Rezitation der Qur’ânverse langsam und indem du über ihre Bedeutung nachdenkst! Laß’ deine Seele sich in Ehrerbietung verneigen und in Demut niederwerfen. Laß’ deinen Körper den äußeren Be-stimmungen des Gebets folgen, doch laß’ deine Seele stets in der Position der Niederwerfung bleiben und laß’ nicht zu, daß diese Einheit auch nur für einen Atemzug unterbrochen wird ...“
Imâm al-Ghazâlî betont die Bedeutung der Empfindungen der Liebe zum Gesandten Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – während der sitzenden Position beim Sprechen der Grußformeln (Tahhiyyât) und gibt dafür ein Beispiel. Im Gebet ist es notwendig, daß das Herz ständig in Frieden ist, wie uns die folgende Empfehlung Imâm al-Ghazâlîs zeigt:
„Während der ersten und während der abschließenden Sitzposition soll man sich, während man sagt: ‚der Segen und der Friede seien auf dir, o Prophet, und die Barmherzigkeit Allahs!’, die Gegenwart des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – zwischen den Augen des Herzens vorstellen....“
Welch gewaltige Auszeichnung und erhabene Würdigung liegen in diesen Worten, mit denen Allah Seinen Geliebten – Segen und Friede seien auf ihm – während seiner Himmelsreise (Mi´râj) an der ihm vorbehaltenen höchsten Rangstufe begrüßte:
„Der Segen und der Friede seien auf dir, o Prophet, und die Barmherzigkeit Allahs, in dieser Welt und im Jenseits!“
Das Gebet ist die Himmelsreise des Gläubigen und versorgt gleichzeitig diejenigen, die in der Lage sind, es zu begreifen, mit ihrem Anteil an den Ausschüttungen göttlicher Gnadengaben. Deshalb sollte man versuchen, aus dem Sprechen der Segenswünsche für den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – während des Gebetes spirituellen Nutzen zu ziehen, denn diese Worte sind für uns eine Erinnerung an die Himmelsreise des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden. Seine Himmelreise ist ein Ausdruck und Symbol der höchsten Liebe Allahs des Allmächtigen zu Seinem Gesandten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –, zu der Er ihn selbst auserwählt und eingeladen hat. Das direkt im Anschluß an die Segenswünsche ausgesprochene Glaubensbekenntnis verdeutlicht, welch große Ehre mit dem Glauben an den Einen Gott und mit der Dienerschaft Ihm gegenüber verbunden ist. Gleichzeitig weist es hin auf das Gebot, bei der Erwähnung seines Namens stets die Segenswünsche für ihn auszu-sprechen – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden! So ist das Gebet mit all seinen Bestandteilen wie ein von der wahren Essenz des Islam aus zu uns hin geöffneter Fensterladen. Diejenigen, die Allah lieben, kommen Ihm durch dieses Fenster näher und sehen erhabene Erscheinungen und Wirklichkeiten in der Schau göttlicher Mysterien. Allein aus diesem Grunde ist es gänzlich unvorstellbar, vollkommenen Glauben zu verwirklichen, ohne das Geheimnis der Erwähnung des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – zu begreifen, welche sich mit dem göttlichen Namen Allahs zu den Worten des Glaubensbekenntnisses vereint.
So gebietet Allah den Gläubigen, als Widerspiegelung Seiner Liebe zu diesem Besten der Geschöpfe, Segenswünsche auf den Propheten – Segen und Friede seien auf ihm – zu senden und verkündet im gleichen Vers, daß Allah und Seine Engel ebenfalls Segenswünsche auf ihn senden:
„Wahrlich, Allah und Seine Engel senden Segenswünsche auf den Propheten, o ihr Gläubigen, wünscht Segen auf ihn und vollkommenen Frieden!“
Diejenigen, die sich ganz dem Gottesdienst und dem Gebet widmen, verlieren sich darin und sorgen sich nicht länger um die Angelegenheiten dieser Welt.
Bezüglich derer, die fähig sind, das Gebet in dieser Weise zu verrichten, sagt Meister Jalâluddîn Rûmî:
„Diese Leute verlassen in dem Moment, in dem sie das Gebet beginnen, diese Welt, so wie ein Opfertier in dem Moment, in dem es geopfert wird, die Welt verläßt.“
Dann ruft Rûmî dem Betenden zu:
„Du betest, in der Gebetsnische einer Moschee nach Mekka gewandt, aufrecht stehend wie eine Kerze. Sei weise und begreife die Bedeutung von ‚Allahu akbar!’: ‚O unser Herr, wir opfern uns in Deiner Gegenwart! Indem wir die Hände zu den Ohren erheben, lassen wir alles hinter uns und wenden uns zu Dir allein!’“
Und Rûmî sagt:
„Genau wie man zu Beginn des Gebets ‚Allahu akbar!’ sagt, spricht man auch beim Schlachten eines Opfertieres die Worte ‚Allahu akbar!’. So ist das Aussprechen des ‚Allahu akbar!’ zu Beginn des Gebets auch ein Symbol dafür, daß man seine egoistischen Wünsche und Begierden opfert.
In jenem Augenblick ist dein Körper wie Ismâ´îl und deine Seele ist wie Ibrahim – auf ihnen beiden sei der Friede. Wenn deine Seele sagt ‚Allahu akbar!’, entledigt sich dein Körper seiner Wünsche und Begierden. Und wenn du dann ‚Bismillahi-Rahmâni-Rahîm’ sagst, werden sie geopfert.
Diejenigen, die aufgereiht stehen im Gebet, in der Gegenwart Allahs, so wie sie auch am Tage des Gerichtes stehen werden, für die beginnt bereits die Befragung, die Abrechnung und das Plädoyer.
Wer im Gebet stehend weint, gleicht dem, der am Tag des Gerichts, nach der Auferstehung aus dem Grabe, vor dem Allmächtigen steht. Allah wird dich zur Rechenschaft ziehen und fragen: ‚Was hast du getan mit deinem Leben in dieser Welt? Was hast du erworben und was hast du für Mich mitgebracht?’
In der Gegenwart Allahs kommen Hunderttausende derartiger schwerwiegender Gedanken und Fragen ins Bewußtsein.“
Und er beschreibt den Ablauf des Gebets:
„Wenn er im Gebet steht, empfindet der Diener Scham, bis er sich beugt, weil er vor Scham nicht mehr stehen kann. In der Verneigung lobpreist er dann Allah, indem er sagt: ‚Gepriesen sei mein Herr, der All-Gewaltige’
Dann befiehlt Allah dem Diener: ‚Erhebe dein Haupt und beantworte genau eine Frage nach der anderen!’
Der Diener erhebt voller Scham sein Haupt, doch wegen der Vielzahl seiner Sünden kann er es nicht ertragen und wirft sich mit dem Gesicht zur Erde nieder.
Da ergeht der göttliche Befehl: ‚Erhebe dich aus der Niederwerfung und berichte, was du getan hast!’
Er erhebt wieder voller Scham sein Haupt, doch er kann es nicht ertragen und fällt zurück mit dem Gesicht auf die Erde.
Da sagt der Allmächtige: ‚Erhebe dein Haupt, ich will dich genau nach jeder einzelnen deiner Taten befragen!’
Die Worte Allahs sind von solch ehrfurchtheischender Gewalt, daß er nicht stehen kann und deshalb mit gebeugten Knien sitzen bleibt. Und der Allmächtige sagt: ‚Nun sprich! Habe Ich dir nicht Gnaden erwiesen? Wozu hast du sie benutzt? Hast du Mir je gedankt? Ich habe dir materiellen und spirituellen Reichtum gegeben, was hast du damit erworben?’
Der Diener wendet sein Gesicht nach rechts und entbietet der Seele des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – und den Engeln den Friedensgruß und bittet: ‚O Herrscher der spirituellen Welt, legt Fürsprache für diesen Übeltäter ein, für diesen armen Sünder, der im Sumpfe seiner Taten untergeht!’
Und der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – erwidert dem Diener auf dessen Gruß: ‚Die Zeit, um Hilfe und Beistand zu rufen ist vorbei, in der Welt hättest du Beistand erhalten können. Du hast keine guten Werke getan, du hast keinen Gottesdienst verrichtet, du hast deine Zeit mit nutzlosen Dingen vergeudet!’
Dann wendet der Diener sein Gesicht nach links. Er bittet seine Verwandten um Hilfe. Doch sie antworten ihm: ‚Bitte uns nicht um Hilfe! Wer sind wir denn? Du mußt deinem Herrn selber Rechenschaft ablegen!’
Der Diener, der von nirgendwo Hilfe bekommen kann, verzweifelt. Ohne Hoffnung von irgendwoher Beistand zu finden, wendet er sich an Allah, um bei Ihm Zuflucht zu suchen, erhebt seine Hände zum Bittgebet und sagt: ‚O mein Herr, Du bist der Erste und der Letzte, der Einzige, den der Diener anrufen und der Letzte, an den er sich wenden kann. Ich suche Zuflucht in Deiner endlosen Barmherzigkeit und Deinem grenzenlosen Mitgefühl!’“
Und der in den Strömen tiefgeistiger Versenkung schwimmende Meister Rûmî pflegte zu sagen:
„Schau auf diese frohen Zeichen im Gebet und sei dir bewußt, was dich erwarten könnte. Sammle dich und versuche, aus deinem Gebet sowohl körperlich als auch spirituell Nutzen zu ziehen! Wirf dich nicht nieder, wie ein Vögelchen, das Körner pickt! Nimm’ die Warnung des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – ernst, der gesagt hat: ‚Der schlimmste Dieb ist der, der vom Gebet stiehlt!’
Wer sein Gebet in frommer Herzensdemut verrichtet und Allah im vollen Bewußtsein Seiner Liebe anfleht, dessen Gebet ist derart angenommen und von solch hohem Wert, daß Allah ihm ‚labbayk! , zuruft!“
Was die Unterschiede im Gebet bezüglich der darin gezeigten frommen Ehrerbietung angeht, hat der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – gesagt:
„Zwei Menschen mögen zur gleichen Zeit am gleichen Ort zwei Gebetseinheiten (Rak´a) beten, doch zwischen ihnen ist ein Unter-schied wie zwischen Himmel und Erde.“
Deshalb weist der Qur’ân darauf hin, daß wirklich Gläubige diejenigen sind, die ihr Gebet in frommer Ehrerbietung verrichten:
„... und die, die ihr Gebet getreulich verrichten...“
und in der gleichen Sure heißt es:
„... diejenigen, die beständig im Verrichten ihrer Gebete sind“
Die Gotterkennenden verstehen diese Verse so:
„Die Bedeutung dieser Worte kann sich nicht nur auf die äußere Form des Gebets beziehen, weil diese vergänglich ist. Sie beziehen sich also auf die innere Wirklichkeit des Gebets, auf das Sich-Verneigen und Sich-Niederwerfen der Seele. Beständig im Gebet zu sein, bedeutet, sich niemals vom Gedenken an Allah zu entfernen.“
Und Maulânâ Jalâluddîn Rûmî interpretiert diese Verse so:
„Der Diener bewahrt den Zustand, den er während des Gebets erfährt, nach dem Gebet. So verbringt er sein ganzes Leben in rechtschaffenem Verhalten, frommer Ehrerbietung und schützt seine Zunge und Seele. Dies ist der Weg derer, die Allah lieben.“
Und er fährt fort:
„Das Gebet, das uns von schlechten Taten fernhält, wird fünfmal täglich verrichtet. Diejenigen die Allah lieben sind jedoch stets im Gebet, denn um die Sehnsucht ihrer Seelen und die göttliche Anziehung in ihrer Brust zu stillen, sind fünf Gebete am Tag niemals genug.
Das Gebet dessen, der in Liebe zu Allah entbrannt ist, gleicht dem Zu-stand eines Fisches im Wasser. Ein Fisch kann nicht ohne Wasser leben, die Seele des Allah Liebenden kann ohne ständiges Gebet keinen Frieden finden. Deshalb gilt der Satz: ‚Besuche mich gelegentlich!’ nicht für diejenigen, die Allah lieben, denn die Seelen der wahrhaft Liebenden dürsten immer nach Ihm.
Wenn ein Liebender nur einen Moment vom Gegenstand seiner Liebe entfernt ist, kommt es ihm vor, als seien es Tausende von Jahren. Und wenn er Tausende von Jahren mit dem Geliebten verbringt, ist es für ihn nur wie ein Augenblick. Das ist der Grund, weshalb derjenige, der Allah liebt, stets im Gebet ist, um dadurch Allah zu begegnen. Wenn er auch nur eine einzige Gebetseinheit verpaßt, kommt es ihm vor, als hätte er Tausende verpaßt.“
„O, ihr, die ihr Verstand besitzt! Die Begegnung im Gebet ist keine Angelegenheit, die der Verstand begreifen könnte. Sie läßt sich nur begreifen, indem ihr den Verstand dem Geliebten opfert und eure Herzen zum Leben erweckt!“
Diese ‚Erweckung des Herzens’ hängt davon ab, welcher (Gebets) Richtung (Qibla) sich der Diener zuwendet. Maulânâ Jalâluddîn Rûmî sagt:
„Die Gebetsrichtung der Könige ist die Krone und der Gürtel, die Gebetsrichtung der weltlich Gesinnten ist Gold und Silber. Die Gebetsrichtung derer, die dem Materiellen verfallen sind, sind ihre Götzen, die Gebetsrichtung derer, die das Spirituelle lieben, sind das Herz und die Seele. Die Gebetsrichtung der Asketen ist die Nische einer Moschee, die Gebetsrichtung der Achtlosen sind nutzlose Werke und die Gebetsrichtung der Faulenzer ist Schlafen und Essen. Die Gebetsrichtung des Menschen ist Wissen und Weisheit. Die Gebetsrichtung der Liebenden ist die ewige Vereinigung, die Gebetsrichtung der Weisen ist das Angesicht Allahs. Die Gebetsrichtung der Leute des Diesseits ist Besitz und Ansehen, die Gebetsrichtung des Derwisch sind die Regeln seines Ordens. Die Gebetsrichtung des Besessenen ist seine Leidenschaft, die Gebetsrichtung der Genügsamen ist Gottvertrauen.
Wir müssen uns bewußt sein, daß unsere Gebetsrichtung nicht das Gebäude der Ka´ba ist, sondern der Ort, an dem sie steht. Würde die Ka´ba an einen anderen Platz gebracht, könnte sie nicht länger unsere Gebetsrichtung sein.“
So soll man sein Herz auf Allah ausrichten, während man den Körper der Ka´ba zuwendet, denn die Gebetsrichtung des Herzens ist Allah.
Um den Zustand frommer Ehrerbietung im Gebet zu verwirklichen, ist es notwendig, die Absicht zum Gebet in vollkommener Weise zu fassen, in Übereinstimmung mit den Worten des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden: „Wahrlich, die Taten sind entsprechend ihren Absichten...“. Das heißt, daß wir uns bewußt werden sollten, in wessen Gegenwart wir sind, während wir beten. Und das bedeutet, genau auf die Ausrichtung des Herzens zu achten, während man sich gleichzeitig von allen Zielen, außer dem göttlichen Wohlgefallen, trennt.
Man sollte etwas von der gewaltigen Erhabenheit Allahs spüren, während man sein Gebet mit den Worten ‚Allahu akbar!’ beginnt. Wenn jemand zu Beginn des Gebets seine Hände hebt, sollte er damit alles hinter sich lassen. Im Herzen sollte er die Freude darüber spüren, in der Gegenwart Allahs zu sein und sein Gebet sollte mit der Empfindung beginnen, diese vergängliche Welt um des Jenseits willen verlassen zu haben.
Während er steht, sollte der Betende seine Augen auf den Punkt richten, auf dem seine Stirn in der Niederwerfung zu ruhen kommt. Er sollte sich stets bewußt sein, daß er vor Allah steht, ein hilfloses Wesen, das vollkommen auf seinen Herrn und Schöpfer angewiesen ist. Dabei sollte er versuchen, zu denen zu gehören, die unser erhabener Herr vor Seinen Engeln mit Worten wie: „Welch vorzüglicher Diener!“ lobend erwähnt.
Bei der Rezitation sollte er darauf achten, die Worte richtig und Wort für Wort auszusprechen und sich ihres Sinnes bewußt zu werden, um über sie nachzudenken und sie in seinem Leben in die Tat umzusetzen. Allahs Gesandter – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – hat gesagt:
„Den Qur’ân zu rezitieren bedeutet, mit Allah zu sprechen!“
Deshalb sollte man bei der Qur’ânrezitation aufmerksam sein.
In der Verneigung soll man sagen: ‚Gepriesen sei mein Herr, der All-Gewaltige’ und dabei über diese Worte nachdenken und versuchen, sich der gewaltigen Größe Allahs bewußt zu werden.
Ebenso soll man versuchen, sich, während des Lobpreises in der Niederwerfung mit den Worten ‚Gepriesen sei mein Herr, der Aller-Höchste’, der unbeschreiblichen Erhabenheit des Allmächtigen zu nähern. Und in dem Wissen, daß der Diener in dieser Position der Niederwerfung seinem Herrn am nähesten kommt, sollten wir uns bemühen, Ihm unsere Seele ebenso wie unseren Körper in demütiger Niederwerfung zuzuwenden. Nur so können wir des Geheimnisses teilhaftig werden, das in dem heiligen Vers beschrieben wird:
„... und wirf dich (in Anbetung) nieder und komm’ näher (zu Allah)!“
In dieser Weise soll der Diener sich der Begegnung mit Allah erfreuen und versuchen, zu denen zu gehören, die Allah lieben und sich nach Seiner Liebe sehnen.
Während des Sitzens, nach jeweils zwei Gebetseinheiten, sollte der Diener in respektvoller Ergebenheit die Worte des Tahiyyât rezitieren und, im Bewußtsein seiner Schwäche und Unvollkommenheit, die Vergebung und barmherzigen Segnungen seines Herrn erbitten.
Wenn er sich dann zuerst nach rechts und dann nach links wendet, und das Gebet beendet, wobei er zu den beiden Engeln, die ihn begleiten, sagt: ‚Der Friede sei auf euch und die Barmherzigkeit Allahs!’, sollte er die Freude seiner Begegnung mit Allah empfinden und sie mit den beiden Engeln auf seiner rechten und linken Schulter teilen.
Wenn das Gebet so verrichtet wurde, daß es das Wohlgefallen des Allmächtigen findet, erwidern die beiden Engel den Friedensgruß und verkünden, daß es in dieser und der nächsten Welt angenommen ist, so wie Allah es im edlen Qur’ân beschreibt:
„Friede sei auf euch, da ihr geduldig wart! Seht nun, wie wunderbar der Lohn der endgültigen Heimstatt ist!”
Solche Erfordernisse des Gebets, wie fromme Ehrerbietung, rechtes Benehmen und die Erfahrungen der Begegnung mit Allah, sind nicht außerhalb menschlicher Reichweite. Das Empfinden spiritueller Freude darf keinesfalls nur als ein zusätzliches, zierendes Element des Gebets betrachtet werden, denn das Gebet des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –, der uns zu beten lehrte, übertrifft jede derartige Einschätzung bei Weitem. Und ebenso wie das seine, sind auch die Gebete seiner Gefährten – Allah möge mit ihnen zufrieden sein – und der erwählten Gottesfreunde, die ihnen nachfolgen, lichtvolle Beispiele für uns.
Das Gebet des Propheten
– Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –
Es wird überliefert, daß, während der Prophet – Segen und Friede Allahs seien auf ihm – das Gebet verrichtete, die in seiner Nähe Anwesenden ein weinendes Geräusch hörten, das aus dem Innern seiner Brust zu kommen schien. ´Alî – möge Allah mit ihm zufrieden sein – berichtete aus seiner Erinnerung eine diesbezügliche Beobachtung:
„Ich sah den Gesandte Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – während der Schlacht von Badr weinend im Gebet unter einem Baum. (Er verbrachte so) die ganze Nacht bis zum frühen Morgen ...“
Es wurde sogar berichtet, daß aus dem Herzen des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – während des Gebets Geräusche drangen, wie aus einem brodelnden Topf. So berichtete ´îscha – möge Allah mit ihr zufrieden sein:
„Wir pflegten von Zeit zu Zeit während des Gebetes eine Art von Geräusch aus der Brust des Propheten zu hören, als ob darin ein Kochtopf brodelte.“
Und ´îscha – möge Allah mit ihr zufrieden sein – berichtete ebenfalls, wie sich der Zustand des Gesandten Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – zur Gebetszeit veränderte:
„Der Gesandte Allahs pflegte sich mit uns zu unterhalten und wir redeten mit ihm. Doch wenn die Gebetszeit kam, veränderte er sich und es schien, als ob er uns überhaupt nicht kenne und sein ganzes Wesen wandte sich Allah zu ...“
Dementsprechend sollte das erste Ziel unserer Seelen sein, dieser Segnungen des Gebetes teilhaftig zu werden. Auch wenn es uns nicht immer gelingen kann, sollten doch all unsere Anstrengungen in diese Richtung gehen. Der Zustand des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – während des Gebets sollte stets unser Idealbild sein. Je mehr es uns gelingt, uns diesem zu nähern, desto größeren Nutzen ziehen wir aus unserem Gebet.
Es muß aber sicher auch deutlich gesagt werden, daß keine menschliche Bemühung zu vollkommener Perfektion führen kann, ohne daß auf dem Weg dorthin vielfältige Prüfungen zu bestehen sind. Das gleiche gilt auch für das Gebet. Zuerst wird das Gebet nur in Nachahmung der äußeren Form verrichtet und genau wie ein Künstler Zeit und Erfahrung braucht, um ein Kunstwerk zu vollenden, benötigt auch der Gottesdiener für das Erlernen des Gebets seine Zeit. Deshalb sollten all die, denen es nicht gelingt, ihr Gebet in perfekter Weise zu verrichten, die Hoffnung nicht aufgeben und sich auch weiter um Vervollkommnung bemühen. Genau wie man, um ein Gramm Gold zu gewinnen, Tonnen von Erde sieben muß, braucht man das dem entsprechende Maß an Ausdauer, um im Gebet zu Perfektion und innerem Frieden zu gelangen.
Dabei ist es von großem Nutzen, die folgenden Worte des Gesandten Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – zu beachten:
„Wenn du betest, bete, als sei es dein letztes Gebet! Sag’ nichts, was du morgen bereuen könntest! Laß’ das Verlangen nach solchen Dingen, nach denen die Achtlosen verlangen!“
Die edlen Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und sie und schenke ihnen allen Frieden – und ebenso die rechtschaffenen Gottes-freunde, die ihnen folgten, haben stets danach gestrebt, diese Ziele, die der Gesandte Allahs mit seinen Worten gesteckt hat, zu erreichen.